Online-Workshop: „Leistungsberechtigter Personenkreis der Eingliederungshilfe“

Der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. (DSGT) hat sich unter Beteiligung von Richterinnen und Richtern, Verbänden, Leistungsträgern und Leistungserbringern in einem Online-Workshop am 06.11.2020 mit dem Zugang von Menschen mit Behinderungen zur Eingliederungshilfe beschäftigt und regt eine Änderung der bisherigen gesetzlichen Regelung an.

Der anspruchsberechtigte Personenkreis der Eingliederungshilfe wurde durch das Bundesteilhabegesetz neu gefasst und soll zum 01.01.2023 in Kraft treten. Dabei wurde versucht, sich an der UN-Behindertenrechtskonvention und insbesondere an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) zu orientieren. Sowohl von Seiten der Verbände der Leistungsempfänger und der Leistungserbringer als auch von Seiten der kommunalen und sonstigen Träger der Eingliederungshilfe bestand aber die Befürchtung, dass sich der bisher berechtigte Personenkreis dadurch stark ändern werde, z.B. weil nur in einzelnen Lebensbereichen stärker betroffene Personen (etwa seelisch behinderte Menschen oder Suchtkranke) nach den neuen Kriterien eher ausgeschlossen wären, während Menschen mit leichtgradigeren Behinderungen in vielen Lebensbereichen nun eher erfasst würden. Hierzu wurde ein Forschungsvorhaben gestartet, das eine solche Änderung als wahrscheinlich bestätigte.

Begleitend zu dem im Anschluss angestoßenen Prozess der Überprüfung der geplanten Regelung hat sich der DSGT am 06.11.2020 mit dieser Thematik befasst. Nach einer Einführung durch Herrn Prof. Dr. Felix Welti von der Universität Kassel, der das Forschungsvorhaben mit durchgeführt hat, und anschließender Diskussion fordert der DSGT, bei der Ausgestaltung des Zugangs zu Leistungen der Eingliederungshilfe nicht an die ICF-Klassifikationen anzuknüpfen, weil diese dafür nicht geeignet sind und hierfür auch nicht vorgesehen waren. Diese können und sollten vielmehr lediglich bei der Ausgestaltung und Neujustierung der einzelnen Eingliederungshilfeleistungen Anwendung finden.

Hintergrund: Das Recht der Eingliederungshilfe ist die wichtigste Rechtsgrundlage der Leistungen, auf die Menschen mit wesentlichen Behinderungen angewiesen sind. Im Jahr 2018 erhielten in Deutschland rund 943 000  Menschen mit Behinderungen Eingliederungshilfe. Das waren 3,5 % mehr als im Vorjahr. Im Jahr 2019 wurden hierfür rund 19 Mrd. Euro aufgewendet.

(Quelle: Statistisches Bundesamt – www.destatis.de)


Veranstaltungsbeschreibung

Zeit6. November 2020, ab 14:30 Uhr (im Anschluss an die Podiums-Diskussion)

Die Covid-19-Pandemie verzögert weltweit zahlreiche Abläufe und dies trifft leider auch einen wichtigen Bereich des Sozialrechts, nämlich die noch ausstehende Klärung des leistungsberechtigten Personenkreises der Eingliederungshilfe. Durch das Bundesteilhabegesetz sollte dieser eigentlich bereits zum 1. Januar 2020 neu geregelt werden. Aufgrund zahlreicher Einwände gegen die beabsichtigte Neuregelung, insbesondere auch der Betroffenenverbände, blieb zunächst alles beim Alten und die Neureglung wurde auf den 1. Januar 2023 verschoben. Zwischenzeitlich sollte zuerst in einem Forschungsvorhaben überprüft werden, ob es hinsichtlich der Neuregelung noch einer Anpassung bedarf. Die damit beauftragten Personen, Herr Dr. Dietrich Engels, Herr Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, Herr Thomas Schmitt-Schäfer und Herr Prof. Dr. Felix Welti, haben ihren Bericht über die Ergebnisse im September 2018 veröffentlicht (BT-Drs. 19/4500). Je nach Auslegung der neuen Regelung könnten danach bis zu knapp 10 Prozent der bisherigen Leistungsempfänger aus der Leistungsberechtigung herausfallen, was nicht beabsichtigt war und ist. Deshalb schloss sich ein durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales initiierter partizipativer Beteiligungsprozess an, der dieses Problem lösen soll.


Die SGB-XII-Kommission des Deutschen Sozialgerichtstages möchte diesen Prozess ebenfalls begleiten und die Annäherung an eine sachgerechte Bestimmung des leistungsberechtigten Personenkreises unterstützen. Zu diesem Zweck wird Herr Prof. Dr. Felix Welti, der nicht nur das ursprüngliche Forschungsvorhaben, sondern auch den partizipativen Beteiligungsprozess begleitet hat, in einem etwa halbstündigen Referat die am Workshop Teilnehmenden auf den aktuellen Stand der Diskussion bringen und erste Impulse zu möglichen Lösungsansätzen
geben. Diese werden im Anschluss mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erörtert, damit als Ergebnis ein fundiertes Meinungsbild in den Partizipationsprozess eingespeist werden kann. Damit auch über die Software „Zoom“ eine sinnvolle Debatte möglich ist, wird der Teilnehmerkreis auf 40 Personen begrenzt. Die Teilnahme ist kostenlos. Bitte melden Sie sich bis spätestens 05.10.2020 bei der Geschäftsstelle des Deutschen Sozialgerichtstags an, damit Ihnen die Zugangsdaten mitgeteilt werden können. Wir freuen uns auf eine rege Diskussion!


Die SGB-XII-Kommission des Deutschen Sozialgerichtstages


Flyer Material